Gründung oder Festanstellung? – Warum ein Beruf ein Risiko ist
Unternehmensgründung oder Festanstellung: Warum es riskant ist sich einen Beruf zu suchen
„Ich glaube nicht an Berufswahl. Junge Menschen sollten sich lieber überlegen, was sie von ganzem Herzen machen möchten und dann genau das tun. Wenn Ihr einen Bestseller schreiben wollt, schreibt einen Bestseller. Wenn Ihr surfen wollt, geht surfen. Und wenn Ihr Euch mit großer Leidenschaft für Bilanzen interessiert, werdet Wirtschaftsprüfer“.
Einige Studenten schauen mich plötzlich mit weit aufgerissenen Augen an. Sie saugen jedes meiner Worte auf, als hätte ich Ihnen gerade den Weg zum heiligen Gral verraten.
Was aber noch auffälliger ist: Alle anderen tippen weiter auf Ihrem Macbook und sitzen wie gewohnt Ihre Zeit an der Uni ab.
Vor knapp drei Jahren habe ich an der Uni Potsdam eine Vorlesung im Master-Studiengang „BWL mit Schwerpunkt Entrepreneurship“ gehalten.
Schon in den ersten Minuten erfuhr ich, dass nur gut ein Viertel der Studenten tatsächlich ein eigenes Unternehmen gründen wollte. Ich war angereist mit der Mission, den Studenten zu zeigen, dass sie Ihre unternehmerischen Träume erreichen können.
Daher war ich etwas überrascht zu erfahren, dass die meisten Studenten in einem Studiengang für Unternehmensgründung gar kein Interesse an einem eigenen Unternehmen haben.
Was willst Du wirklich wirklich machen?
Ich starte mit diesem Beispiel, um deutlich zu machen, wie wenige Menschen in unserer Gesellschaft sich wirklich fragen, was sie persönlich machen möchten. Selbst in einem Studiengang, in dem Studenten dazu ermutigt werden sollten, ein eigenes Projekt zu starten, strebten die meisten vor allem nach einem sicheren Beruf ohne Risiko.
Ich möchte nicht sagen, dass es per se schlecht ist, sich einen Beruf zu suchen.
Es macht zum Beispiel nicht viel Sinn, sich als Schauspieler selbstständig zu machen und nicht in fremdproduzierten Filmen mitspielen zu wollen.
Ich treffe aber in meinem Alltag nur wenige Menschen mit „normalen“ Berufen, die ihren täglichen Aufgaben mit Begeisterung nachgehen.
Wie riskant ist die Gründung eines Unternehmens?
Wenn ich davon erzähle, dass ich direkt nach meinem Bachelor-Studium gegründet habe, schauen mich die Leute manchmal ungläubig an. „Ganz schön mutig. Aber du hast ja Glück gehabt, dass es gut gegangen ist.“
Ich finde es wesentlich mutiger, sein Schicksal in die Hände eines fremden Personal-Managers zu legen, der mich nie persönlich kennengelernt hat.
Ein Angestellter hat oft nur sehr wenig Einfluss darauf, welche Aufgaben er bekommt, wie viel er verdient, mit welchen Menschen er Zeit verbringt und wie lange er seinen Job überhaupt behalten darf.
Wenn der Vorstand beschließt, die Strategie zu ändern, verlieren manchmal hunderte Angestellte ihren Job, ohne einen konkreten Fehler gemacht zu haben.
Als Unternehmer gehe ich auch täglich Risiken ein.
Manchmal kommen nur wenige Aufträge rein, das Finanzamt fordert Nachzahlungen in fünfstelliger Höhe oder mein bester Mitarbeiter möchte kündigen. Es gibt ständig unangenehme Situationen, die sich negativ auf mein Unternehmen auswirken können.
Aber zu jedem Zeitpunkt habe ich die volle Kontrolle darüber, womit ich meine Zeit verbringe, wann ich welche Aufgaben erledige, wie viel Geld ich verdiene und an welchem Ort ich gerade sein möchte. Wenn ich spontan nach New York fliegen möchte (wo ich persönlich noch nicht war), buche ich einen Flieger und sitze am nächsten Morgen im Central Park.
Wenn ich ein cooles Event für Gründer auf die Beine stellen möchte, miete ich eine Veranstaltungs-Location an, baue eine Website und veranstalte ein Event.
Natürlich habe ich auch Risiken und Verpflichtungen. Aber die Risiken werden bei weitem überwogen von den Freiheiten und der Unabhängigkeit als Unternehmer.
Als Thomas mir vor knapp zwei Jahren davon erzählte, dass er mit dem Fahrrad 10.000 Kilometer nach Indien fahren wollte, musste er mich nicht um Erlaubnis fragen.
[Tweet „„Wenn unsere Firma den Bach runter geht, schicke ich dir ein Telegramm nach Teheran.““]
Als ich im Herbst 2012 zwei Monate in Brasilien Jiu Jitsu trainieren wollte, wusste ich, dass niemand mir deswegen böse sein würde.
Als Unternehmer können wir unsere Zeit ohne größere Kompromisse gestalten. Deswegen finde ich es deutlich riskanter, sein Geld als Angestellter zu verdienen.
Worauf bereitet uns das Bildungssystem vor?
Wenn ich auf mein Schullaufbahn und mein BWL-Studium an der Uni Mannheim zurückblicke, fällt mir auf, dass ich fast ausschließlich von Lehrern, Tutoren und Professoren gelernt habe, die ihr Geld als Angestellte in einer regulären 40-Stundenwoche verdienen.
In der Oberstufe sollten wir uns im Berufsinformationszentrum über mögliche Ausbildungen und Studiengänge informieren. Niemand hat uns erzählt, dass es auch eine Möglichkeit sein könnte, direkt ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen.
„Ein Abschluss ist wichtig. Er gibt Euch Sicherheit.“, versicherten uns unsere Eltern, Lehrer und Professoren. Seit ich 2009 mein Studium abgeschlossen habe, hatte ich mein Bachelor-Zeugnis nicht mehr in der Hand.
Die Gründungsberaterin an der Uni war eine studierte Juristin, die nie aktiv an einem Unternehmen gearbeitet hat. Der Professor am neugegründeten Lehrstuhl für Entrepreneurship hatte sich ausschließlich akademisch mit dem Thema beschäftigt und keine praktische Erfahrung als Gründer.
Mittlerweile erstaunt es mich nicht mehr, dass 75% der Studenten im Bereich „BWL mit Schwerpunkt Entrepreneuship“ nicht gründen möchten.
Ihnen fehlen schlicht und einfach die Vorbilder.
In den Vorlesungen beschäftigen sie sich fast ausschließlich mit leblosen Theorien und Modellen. Kaum jemand zeigt Ihnen, wie aufregend die Welt eines Unternehmers sein kann.
In meinem ganzen Studium gab es genau eine Veranstaltung, die mich wirklich inspiriert hat und das war eine Gastvorlesung von Reinhold Würth, der mit 19 den Schraubenhandel seines Vaters übernahm und zum Weltmarktführer aufbaute. Würth sagte, dass eine vibrierende Neugier ihn dazu motivierte jeden Tag weiter an seinem Unternehmen zu arbeiten, seine Museen auszubauen und weitere Werke für seine Kunstsammlung zu suchen.
Nur eines bereue er, „dass ich in meinem Leben nicht mehr dazu kommen werde, die vielen Bücher in meiner wunderschönen Bibliothek zu lesen.“
Bild: epSos.de
Das könnte Dich interessieren:
Bastian
Neueste Artikel von Bastian (alle ansehen)
- Verkauf: Wie schaffe ich es, jedem Menschen etwas zu verkaufen? - 3. April 2014
- Hitchhiking: Unser Duell mit der spanischen Polizei und die Lektion der Babysteps - 21. Februar 2014
- Geld spielt keine Rolle – über Leidenschaft und wahre Ziele - 12. Februar 2014
Hallo Bastian,
ich kann dir nur zustimmen, die Entrepreneurship Vorlesungen im BWL Studium motivieren nicht etwas anzupacken und auzubauen, Theorien über Theorien… Das ging mir an meiner Uniganz genauso. Und wie du schon schreibst, die Vorträge von Gründern & Unternehmern (mymüsli, Bionade, wiesmann etc.) wurden zu den einzig interessanten „Vorlesungen“ in diese Richtung. Ich glaube, dass dadurch sehr viel unternehmerisches Potential verschwendet wird. Einfach machen und dem nachgehen wofür man sich wirklich interessiert (wie du schreibst)!!!
Viele Grüße aus Hamburg,
Chris
Sehr schön: „Ich finde es wesentlich mutiger, sein Schicksal in die Hände eines fremden Personal-Managers zu legen, der mich nie persönlich kennengelernt hat.“
So ähnlich klingt auch meine Antwort, wenn ich wieder mutig genannt werde, weil ich mein Ding mache. Ich finde es „mutig“, für 100.000 Euro im Jahr jeden Tag ins gleiche Büro gehen zu müssen.